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Depression oder Wut?

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Drei Jahre nach der Rückkehr aus dem exotischen Thailand spüre ich hier mehr und mehr, wie mir nicht nur das warme Meer, sondern vor allem die Wärme der Menschen fehlt. Kaum sind sie über Vierzig, verkriechen sie sich hier in ihren Wohnungen, riskieren nur wenig, vor allem nicht sich hautnah aufeinander einzulassen und scheinen ihr Leben lustlos zu vertun.

Auf der Straße und in Verkehrsmitteln vermeiden sie Blickkontakt und reden nicht selten mehr mit Hunden als mit Kindern. Selbstverständlich wird der Fernseher einem Kino vorgezogen.

Wie anders könnte das Verhältnis zwischen jüngeren und älteren Menschen sein! Hier schuften und konsumieren die jungen Leute und bekommen schon in der Wiege gesagt, so dass es schon als gerade Erwachsene bereits unbewusst und verdrängt ist, dass sie sich ja nicht mit einem dirty old man einlassen sollen. Oft nur als lästig empfundenen ältere Männer schwächeln, vermeiden aufzumucksen und bekommen noch beim Schlangestehen für einen Sarg eingeflüstert, wo sie kaum noch eine Gelegenheit zu Kontakt mit der Jugend haben, dass sie ja keiner jungen Frau zu nahe kommen sollen.

Soll mir doch keiner erzählen, dass ich ein übler Sexist bin! Mit diesem Thema habe ich mehr als die Mitbürger beschäftigt und wohl gelernt, dass Männer und Frauen zwar nicht völlig gleich sind, aber doch gleichermaßen an den Drücker kommen sollen. Doch sie scheinen vergessen zu haben, wo der Drücker ist. Aber aber aber! Ich habe nie gesagt, andere Menschen sollten nun auch dieses oder jenes tun. Nein nein nein! Ich habe dagegen umso offener gesagt und sollte es laut herausschreien, dass sie aber vieles, vieles, vieles tun könnten, was sie jetzt nicht tun, und was ihnen kaum schaden, aber vielleicht ziemlich gut tun würde.

Doch penetrant bekomme ich nur gesagt, dass “schließlich” jeder Mensch für sich selbst sehen muss, was für ihn richtig ist, und selber habe ich auch gesehen, welch üble Dinge Missionare in aller Welt angerichtet haben, so dass für mich scheinbar nicht anderes übrig zu bleiben scheint, als mir selber ein dickes Pflaster auf den Mund zu kleben.

Aber bevor ich das tue, schreie ich noch einmal, dass ich NICHT just want more sex, sondern dass es mir um VIEL mehr geht. Ich möchte auch mehr gemeinsames Sehen und Denken, Fühlen und Freude, Bewusstsein für den Zusammenhang von Sex und Macht, und Bewegung und Aktivitäten,- ja das heißt Verkehrsmittel und berufliche Tätigkeiten,- welche unsere schöne Erde und alles Leben auf ihr respektieren.

Auf welche Basis ich das Ganze stellen möchte, wird ebenfalls nach drei Jahren immer noch kaum rezipiert. Dafür kommen vor allem drei Vorwürfe. Darauf, dass ich zu wenig selber zuhöre und zu aktiv bin, habe ich schon an anderer Stelle geantwortet. Des weiteren sei manches zu autoritär und manches einfach falsch. Alles mag teilweise der Fall sein, denn ich bin gewiss kein Perfektionist, was aber sicher kein Verbrechen ist. Mir geht es vielmehr um drei andere Dinge,- nämlich zunächst um Abenteuer, dann um Lebenslust und schließlich um umsetzbare Erkenntnisse. Das beinhaltet Fitness, Freiheit und ein gut gewaschenes Gehirn. Aber für mich gehört genauso dazu, mich vehement etwa gegen die leider in Thailand eingekehrte Diktatur zu wenden, die die meisten Buh-Bürger nicht im geringsten davon abzuhalten scheint, mit an thailändischen Stränden gesoffenem Bier die dortige Diktatur zu mästen. Genauso gehört für mich dazu, nicht den schrecklichen in der eigenen Jugend erlebten Krieg zu vergessen, sondern ihn und insbesondere die jetzt wieder drohenden Atombomben zumindest im kleinen ach so wenig belästigendem Fernsehen zu zeigen, geschweige denn in einem modernen Kino mit seinem gewaltigen Sound, der aber nur für affige amerikanische Filme auf primitivstem Niveau benutzt wird. In solch ein Kino geht hierzulande sowieso kein älterer Mensch mehr, weil die große Leinwand sie wohl ihr Wohnzimmer vergessen lässt.

Mich deprimiert sehr und macht unglaublich wütend, wie hier meine gewiss auch für die hiesigen Menschen für nicht unwichtig gehaltenen Erfahrungen der Jahre in Thailand ignoriert und weder gelesen noch angehört noch etwa in dem verdammten Fernsehen gezeigt werden. Da sie keinen Bezug auf ihr eigenes Leben sehen, wird es herunter gemacht, kritisiert, und ich selber werde für einen kranken, abwegigen, gescheiterten Depp angesehen. Bin ich das wirklich? Fehlt mir die Selbstkritik? Oooooder?

Ich weiß oder fühle zumindest sehr wohl, wie sich die Bundesbürger davon verunsichert fühlen oder wenigstens fühlen könnten, denn sie lassen es meist nicht einmal auf eine kritische Entfernung an sich herankommen. Aber können wir es nicht deutlicher machen: Es reicht nicht, nur das gefilterte Schwadronieren in unserem viel zu teuer bezahlten Fernsehen anzuhören, es reicht nicht, die Fremden nur aus der Ferne zu sehen. Es ist eine mittelalterliche Vorstellung, freier Sex sei heutzutage noch gefährlich und habe nichts mit Macht zu tun, und genauso müssen all die auch für unsere Nachkommen wichtigen Naturressourcen nicht in einem idiotischen Wettrennen um laufend mehr ökonomisches Wachstum in eigener ziemlich nutzlos vertaner Arbeitszeit verpulvert werden. So what? Zumindest ein Rabe krächzt seine Vorstellungen von einem modernen Mittleren Weg trotz Atomversuchen, Hurrikanen und einem sich zerfleischenden Orient vom Dach, so dass man(n) und frau und schon die Jugend es auch auf der anderen Seite von dicken Mauern hören können. Doch kaum einer mag das. Klingt es zu deprimiert oder zu wütend? Ach es ist ja nur ein Rabe!

Doch Vorsicht! Nach neuen Untersuchungen hat das zwar kleinere Hirn dieses Vogels eine höhere Dichte von Nervenzellen als das menschliche, und auch in seiner Reaktions- und Entscheidungsfähigkeit braucht er keine Vergleiche zu scheuen. Sind diejenigen modernen Menschen, die jetzt statt an verordneten Glauben an Rationalität glauben, wirklich so über allen Zweifel erhaben? Rational gesehen mag mag alles, was nicht nach den Regeln dieser nicht unbedingt mit human gleichzusetzenden Gedankenwelt den Stempel „richtig“ bekommen hat, anzuzweifeln sein, doch deswegen ist rational Unbegründetes noc lange nicht unbegründbar, Das wirklich Schlimme sind Einseitigkeiten, ganz egal, ob sie Medien oder Hochschulen, Spiritualität oder Sport, Sex oder Macht, Ökologie oder Ökonomie heißen. Aber ausbalanziert kann es plötzlich eben sehr human sein und viele Konflikte vermeiden helfen. Auch Raben streiten sich zwar manchmal, aber sie führen keine Kriege, sind große Überlebenskünstler und offensichtlich gar nicht dumm. Sie werden Vögel genannt, weil sie gerne vögeln.  

© Copyright (all rights reserved) Hans J. Unsoeld, Berlin 2017

Updated September 13, 2017   

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