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Der Einzelne und die Gesellschaft

Spiegelbilder

Es gilt als allgemein akzeptierte und insbesondere von gesellschaftlich etablierten Personen gern verbreitete Erkenntnis, dass wir Lebensumstände nicht ändern können, sondern nur uns selbst. Stimmt das? 

Wenn Menschen Schwierigkeiten haben, mit ihrer Umgebung klar zu kommen, etwa psychische Probleme entwickeln, und ihnen dies nicht gelingt, wird empfohlen, sich möglichst unter Anleitung vertrauenswürdiger Leute, also z.B. Therapeuten, in kleinen Schritten an die betreffenden Situationen anzunähern. Sie sollen lernen, diese damit durch eigene Anpassung zu bewältigen.

Wenn jedoch vielen Menschen gemeinsam klar ist, dass eine Situation für die Mehrheit nicht akzeptabel ist und sich politische Probleme entwickeln, wird ihnen entsprechend empfohlen, sich auch unter die Leitung einer vertrauenswürdigen Person, also eines politischen Führers, zu begeben. Sie sollen sich gemeinsam der betreffenden Situation in kleinen Schritten annehmen und diese durch gesellschaftliche Veränderungen verbessern und bewältigen.

Die beiden Situationen verhalten sich spiegelbildlich zueinander. Sie zeigen wie auch nicht wenige andere Umstände im Leben, dass der einzelnen Mensch und die ihn umgebende Gesellschaft quasi Spiegelbilder zueinander sind, und zwar offensichtlich in genereller Tendenz. Sie verdeutlichen aber auch, dass es sich in Wirklichkeit nicht um statische Verhältnissen handelt, sondern dass laufende gegenseitige Einwirkung eine dynamische Wechselwirkung darstellt.

Ein Patient und ein Bürger können ebenso als Spiegelbilder gesehen werden wie auch ein Therapeut und ein politischer Führer. In beiden Fällen spielt die Glaubwürdigkeit bzw. die Vertrauenswürdigkeit eine große Rolle. Diese Eigenschaften lassen sich auch nur in einem solchen dynamischen Zusammenhang sehen.

Sowohl vom Therapeuten als auch vom politischen Führer wird erwartet, dass sie eine klar darstellbare gefestigte Position vertreten. Diese wird häufig in Grundsatzerklärungen irgendwelcher Art formuliert, zum Beispiel für Therapeuten in Satzungen oder einem Berufskodex, oder für Politiker in Parteiprogrammen oder einer Konstitution. Eine solche Formulierung bedeutet bzw. schließt ein, dass diese beschlossen und damit fixiert wird. An der Einhaltung derselben werden Glaubwürdigkeit oder Vertrauenswürdigkeit gemessen und beurteilt.

Zwischen Therapie und Politik gibt es aber weite Bereiche des täglichen Lebens, in denen keine derartige Festlegung existiert oder vorausgesetzt werden kann. Diese betreffen insbesondere Familien und Handel. Dort müssen zwangsläufig auch jene für Führungspersonen mit Leitungsanspruch geltenden festen Werte nicht unbedingt streng gelten.

Dennoch wird oft versucht, solche statische Vorstellungen auch in diesen Bereichen des Lebens der Bevölkerung durchzusetzen. Yor allem gilt das für dort etablierte Institutionen, deren beide wichtigste eben Familie und Handel sind. Sowohl einem Ehepartner als auch einem Händler soll geglaubt oder vertraut werden können. Es handelt sich im Prinzip um untergeordnete Institutionen innerhalb von darüber liegenden Systemen unter Leitung einflussreicher einzelner oder gesellschaftlich relevanter Personen. Historisch waren das Kirchen und Zünfte, heute zunehmend karitative Einrichtungen und berufliche Organisationen. Diese können ihre Stellung üblicherweise nur durch Festlegung auf fixierte Positionen erlangen. Wenn wir von "üblicherweise" reden, bedeutet dies aber Tradition und damit im Wesentlichen ein statisches System.

In moderner Zeit wächst jedoch das Bewusstsein dafür, dass sich das Leben nicht völlig fixieren lässt und dass also Möglichkeiten zur Veränderung und Anpassung vorhanden sein müssen. Tendenziell gehen diese aber relativ langsam vor sich, da der Konsens einer Mehrheit erwartet wird und dieser sich nur langsam entwickelt oder herstellen lässt. Die Veränderungen im Leben der heutigen Menschen treten aber immer schneller ein, vor allem durch in zunehmendem Maß erfolgenden technischen Fortschritt sowohl im materiellen wie im kommunikativen Bereich. Die Anpassungen hinken also immer mehr hinterher und werden zum Beispiel als Schwächen der Demokratie interpretiert.

Dazu kommt aber auch neues Verständnis für die Dimensionen der Ausrichtung solcher fixierter Positionen. Während soeben vor allem der Einfluss der modernen praktisch realisierten Technik genannt wurde, geht es hier in erster Linie um neue geistige Einflüsse. Diese wurden aber nicht so sehr von den klassischen Geisteswisenschaften, sondern hauptsächlich von den modernen theoretischen Naturwissenschaften ausgelöst. Diese operieren vorwiegend in den Dimensionen von Raum und Zeit, welche drei reale Dimensionen zur Ortsbestimmung und eine als imaginär verstandene Dimension der Zeit verwenden. Mit diesen vier Dimensionen lassen sich gleichermaßen sowohl die atomare Welt und Elementarteilchen als auch die astronomische Welt und Galaxien erfassen. Für die dazwischen liegende menschliche Welt, welche auch Teil der Natur ist, muss dasselbe gelten.

Geisteswissenschaften und humanitäre Bereiche beziehen sich aber im Allgemeinen nicht auf die Dimensionen von Raum und Zeit, sondern auf andere Dimensionen. Diese müssen im Prinzip durch Transformationen aus jenen hervorgegangen bzw. herleitbar sein. Dahinter steht die früher oft stark angezweifelte Erkenntnis, dass der Mensch sich aus den Tieren entwickelt hat, ähnlich wie sich auch die übrige Evolution abgespielt hat, und dass infolgedessen in der menschlichen Entwicklung nicht quasi durch Zauberhand neue Dimensionen entstanden sein können.

Es müssen also auch im menschlichen Leben ebenso vier Dimensionen zur Beschreibung ausreichend sein, wobei eine von diesen als imaginär interpretierbar zu nehmen ist. Dass diese Konzepte wütende Proteste von religiösen und vor allem kreationistischen Kreisen hervorrufen, ist wohlbekannt, entbehrt aber jeder sachdienlichen, wiederholt nachprüfbaren Grundlage, und sollte uns hier nicht weiter beschäftigen.

Wichtig sind Bestimmungen solcher humaner Dimensionen und die Feststellung des jeweiligen imaginären Anteils. Hierzu wurden im Rahmen früherer Texte des Autors bereits realistische Vorschläge gemacht, welche gewiss noch weiter konkretisiert werden können. Es muss sich also auch generell um drei reale und eine imaginäre Dimension handeln.

Der erste Vorschlag geht vom menschlichen Körper aus, dem zu seinen vier Teilen vier Dimensionen zugeordnet werden können, nämlich Kognition und Processing zum Kopf, Gefühle und Fitness zum Oberkörper, Sexualität und Macht zum Unterleib, und schließlich Aktivitäten und Mobilität zu den Extremitäten. Es liegt nahe, die imaginäre Dimension dem Unterleib zuzuschreiben, was sich auch durch die Evolution begründen lässt, in welcher die Entwicklung von diesem ausging.

Bereits dieser Gedanke legt nahe, dass es eine generelle Reihenfolge geben mag und dass aus einer imaginären Dimension als Ausgangspunkt dann quasi durch Aufspaltung drei reale Dimensionen entstanden sein müssen, d.h. dass der Raum im Prinzip aus der Zeit entstanden sein müsste.

Ein zweiter Vorschlag für humane Dimensionen ergibt sich aus der kulturellen Entwicklung von vier zentralen Gebieten in aufeinander folgenden Zeitabschnitten, nämlich Religion, Kunst, Geistes- und Naturwissenschaften. Konfessionelle Kreise wird vermutlich noch viel mehr erschrecken, wenn Sexualität und Macht als Grunddimension von Religionen genommen werden, was jedoch nicht sachlich widerlegt, aber durch unvoreingenommene hier nicht näher zu diskutierende Argumente gestützt werden kann. Kunst betrifft die Dimension von Schaffen und etwa Tanz, also Aktivität und Bewegung, Geisteswissenschaften handeln von Wertungen und Ausdruck, also Gefühlen und Fähigkeiten (Fitness), und Naturwissenschaften von praktischen Experimenten und theoretischer Einordnung, also im Prinzip von Kognition und Processing.

Ein dritter Vorschlag geht von politischen Positionen in der Gesellschaft aus. Bei der Entwicklung der Demokratie gab es anfänglich häufig Zwei-Parteien-Systeme, etwa zwischen "roten" Machtansprüchen und "schwarzen" konfesionellen Traditionalisten. In jüngerer Zeit kamen vor allem zwei weitere Öko-Positionen hinzu, nämlich die "gelben" sich hauptsächlich ökonomisch verstehenden Liberalen und die "grünen" sich ökologisch profilierenden Naturfreunde. Wieder liegt es nahe, die religiöse Dimension als imaginäre Ausgangsdimension von kulturellem Fortschritt zu verstehen, welche vor allem Duchsetzungsfähigkeit beinhaltet, also Sexualität und Macht. Die soziale Dimension lässt sich dagegen mit Aktivitäten und Ausbreitung (Mobilität) charakterisieren, ferner die liberalen Bereiche durch Betonung der Rationalität und schließlich die sich für Nachhaltigkeit einsetzenden Grünen mit Empathie und Lebnskraft (Gefühl und Fitness).

Von in öffentlichen Institutionen und insbesondere in politischen Parteien leitenden Personen all dieser Richtungen wird verlangt, dass sie klar fixierbare Positionen vertreten und für diese eintreten. Sie müssen möglichst glaubwürdig sein und man soll oder will sogar ihnen vertrauen können.

Nahezu genauso werden entsprechende Anforderungen an Therapeuten im persönlichen Bereich gestellt. Die Leitbilder hierfür wurden historisch gesehen weitgehend von religiösen Vertretern, also etwa Priestern, Pastoren oder Mönchen übernommen. Auch von all solchen Personen wird die Unterwerfung unter klar durch die Gesellschaft definierte Regeln in Initierungs-, Examens- und Zulassungsprozessen verlangt und damit Glaubwürdigkeit und Vertrauenswürdigkeit erzeugt.

Die große Mehrheit einer Bevölkerung wird jedoch davon zunächst praktisch unberührt sein. Jedoch möchten die erwähnten Leitpersonen sowohl im privaten als auch im öffentlichen Bereich gern ihren Einfluss auf weitere, zwischen der reinen Privatsphäre und dem Herrschaftsbereich liegende Kreise ausdehnen. Dafür haben sich nicht die Allgemeinheit umfassende intermediäre Institutionen ausgebildet. Vor allem sind wiederum die Familie und Handels-Vereinigungen zu nennen. Auch diesen sollen klare Statuten gleichsam verordnet und damit Glaubwürdigkeit und Vertrauenswürdigkeit gegeben werden. Das bedeutet de facto die Institutionalisierung der Ehe mit einem strengen glaubwürdigen Treuegebot und die Festlegung von Handelsgrundsätzen zur Erreichung von vertrauenswürdigen Verhältnissen.


Komplexität erzeugt Dynamik

Generell tendiert Entwicklung aber dazu, von einfachen Verhältnissen ausgehend komplexer zu werden. Das bedeutet de facto eine zunehmende Flexibilität bzw. ein Aufweichen von statischen Positionen. Dynamik überlagert sich zunehmend der anfänglich vorwiegenden Statik, und zwar nach aller Beobachtung sogar beschleunigt zunehmend. Das wird zunächst die im Vergleich zu den "ganz oben und ganz unten" liegenden Positionen vor allem zunächst die dazwischen liegenden, eher als sekundär angesehenen Institutionen erfassen, also eben die Familien und den Handelsbereich.

Der tiefere Hintergrund der zu beobachtenden zunehmenden Erosion sowohl von Familien- als auch von Handelsstrukturen scheint hier zu liegen. Ein höherer Anteil von Dynamik äußert sich in weniger fixierten Positionen, anders ausgedrückt in unschärferen bzw. vageren Verhältnissen. Zwangsläufig muss damit ein Abnehmen der Bedeutung oder Akzeptanz von Glaubwürdigkeit und Vertrauenswürdigkeit einher gehen. Das ist es aber, was wir zunehmend sowohl in Familien- wie in Handelsstrukturen beobachten. Die Bedeutung bzw. Akzeptanz der Ehe nimmt ab, und im Handel treten mehr und mehr in der Umgangssprache als Raubtierverhalten bezeichnete Verhaltensweisen zum Vorschein. Diese können als klare Folge von zwangsläufig zunehmender Komplexität verstanden werden.

Sowohl eine Gesellschaft als auch einzelne Menschen werden damit konfrontiert, wie sie auf diesen Trend reagieren. Der Autor versteht sich nicht als Guru und kann keine Vorhersagen über gesellschaftliches Verhalten machen. Doch dürfte deutlich sein, daas die allgemeine Tendenz ein Aufweichen von festen Positionen ist und dass infolgedessen Leute mit Führungsanspruch sinnvoll handeln werden, wenn sie nicht einfach weiterhin fixierte Standpunkte fest vertreten, sondern Bewusstsein erzeugen für die zunehmend flexible Situation und damit auch für mehr Beweglichkeit in der Bevölkerung.

Sehr wesentlich wird dabei sein, gleichzeitig den Unterschied von Nah- und Ferrnbereich deutlich zu machen. Anpassungen im Nahbereich dienen der Entwicklung "hier und jetzt", also in diesem Zusammenhang besser gesagt "dort und dann". Einflussnahmen im Fernbereich sind jedoch viel kritischer zu sehen und können praktisch instabile Verhältnisse hervorrufen, theoretisch als Singularitäten bezeichnet. Hierfür wird gern das Bild von Tropfen in einem Fluss gebraucht, die durch dynamische Wechselwirkung im Nahbereich das möglichst effektive Fließen des gesamten Flusses ermöglichen. Wenn jedoch durch diesen ein Damm errichtet wird, hat dies Auswirkungen im Fernbereich und "beeinflusst" nicht nur weite Bereiche des Flusses, sondern auch seiner Umgebung.

Der Einzelne kann auf derartige Konfrontation mit zunehmend komplexen Verhältnissen nunmehr bewusster reagieren. Statt damit verbundene geringere Glaub- und Vertrauenswürdigkeit vor allem als destabilisierend und gefährlich zu nehmen, ist es möglich, sie auch als Chance für mehr eigene Verwirklichung und Beweglichkeit nicht nur im physischen Sinn aufzufassen und daraus Vorteile zu ziehen, ohne anderen Menschen damit zu schaden. Aber wieder ist es wichtig, zwischen Nah- und Fernbereich entscheiden zu lernen und die völlig unterschiedlichen Effekte zu beachten. Der Nahbereich umfasst Beobachtung und Kommunikation in der eigenen Nachbarschaft, Empathie und Fitness-Training, Sexualität, Beruf und lokale Mobilität. Der Fernbereich betrifft weit reichende Medien, nationale Bestrebungen, Gender und Rassismus, Auslandsaktivitäten und Fernreisen.

Der Leser mag bemerkt haben, dass in der Nennung sowohl der öffentlichen als auch der persönlichen Bereiche der ersten oben erwähnten Zuordnung von Bereichen gefolgt wurde, nämlich derjenigen zu den vier wesentlichen menschlichen Körperteilen. Völlig in entsprechender Weise ließen sich offensichtlich auch Einteilungen gemäß dem zweiten und dritten oben erwähnten Vorschlag entweder nach kulturellen oder auch nach poltischen Dimensionen vornehmen.

Damit mag ein neuartiges Bewusstsein für die vierdimensional auffassbare Welt entstehen, und zwar generell mit deutlicher Unterscheidung zwischen Nah- und Fernbereich. Dass würde ähnlich für ganz verschiedene Bereiche der Welt gelten, sowohl von Natur als auch von Kultur. Es würde auch auf Leben in einem recht allgemeinen Sinn zutreffen, also zum Beispiel für Menschen, Tiere und Pflanzen, und sogar für belebt erscheinende Naturvorgänge wie molekulare, sich selbständig regelnde Reaktionen an Enzymen oder regenerative Entwicklung von astronomischen Sternsystemen. Komplexe Rückkopplung in Kreisprozessen scheint dabei ein wichtiger Gesichtspunkt zu sein.

Diese Vorstellungen mögen beim ersten Blick als irrelevant für den "Duchschnittsmenschen" anmuten, was aber gar nicht der Fall zu sein scheint. Die wichtigste praktische Konsequenz dürften klare Hinweise sein, dass es vorteilhaft sein kann, sich sowohl als Individuum als auch in der Gesellschaft nicht eindimensional zu positionieren, sprich einseitig und also als Spezialist. Das widerspricht deutlich dem vorherrschenden Gesellschaftsmodell, dass eine gut funktionierende Gesellschaft als ein "wohl geschmiertes" Netzwerk von zusammenwirkenden Spezialisten versteht. Aber nach eigener Sicht geht es um mehr als nur ein System von Funktionen, die ihrem Wesen nach generell genau fassbare Werte liefern sollen. Es kommen wesentliche nicht rational bestimmte Komponenten dazu. Diese können zunächst in Mikrobereichen, die nicht unbedingt naturwissenschaftlich erfassbar sein müssen, sich wesentlich auswirkende Unschärfen und vage Aussagen hervorrufen, dann aber wohl ebenfalls in solchen diese einschließenden Makrobereichen.

Außerdem werden aber auch nicht-rationale körperliche Einflüsse unterschätzt, und dann entsprechend auf ähnliche Art kulturelle interdisziplinäre Wechselwirkungen. Meist wird an diesem Punkt nach Beweisen gefragt. Aber das bedeutet eben gerade eine Beschränkung auf rein rationales Vorgehen, welches eben zunehmend fragwürdig erscheint. Mit dieser Frage kann man sich also wohl selbst eine Falle stellen.

Berücksichtigung und Akzeptanz dieser Vorstellungen könnten dagegen neue Kreativität und höhere Flexibilität ermöglichen, was jetzt bereits in neuen Disziplinen wie etwa "Creative Design" deutlicher zu werden scheint, ohne jedoch Exaktheit zu beanspruchen. Es bleibt also festzuhalten, dass offensichtlich nicht bestmögliches exaktes, sondern zunächst vage und damit fragwürdig erscheinendes Vorgehen besseren Erfolg bei der Durchsetzung verheißt. Zusätzlich können auch höhere Lebensqualität und weitere Möglichkeiten sowohl zur eigenen als auch zur gesellschaftlichen Verwirklichung die Folge sein. Dagegen ist davor zu warnen, dies nur als eine neue Art von Glauben zu disqualifizieren.


Akzeptanz von Entscheidungen

Messen und entscheiden setzen scharf definierte Bereiche voraus. Sowohl Heisenbergs Unschärfe als auch Zadehs Fuzziness beinhalten jedoch, dass scharfe Grenzen nicht generell vorausgesetzt werden können. Dies bestätigt sich auch biologisch, wo sich Haut als ein komplex aufgebautes, teilweise durchlässiges Gebilde herausstellt, und ebenso in der Politik, wo sich Orbans und Trumps Mauern ebenso als irreale Gebilde erweisen.

Wie in weiten Teilen moderner Wissenschaften inzwischen wohl akzeptiert ist, lassen sich Messungen "fachgerecht" nur mit Angabe einer Streubreite zu einem Mittelwert von Wiederholungen einer Messung unter möglichst ähnlichen Bedingungen durchführen. Zwei Größen, zwischen welchen eine Entscheidung nach Größe oder anderer entsprechender Art getroffen werden soll, können im Bereich innerhalb eines im Grunde willkürlich festgesetzten Vielfachen dieser Streubreite liegen. Dann wird diese Entscheidung umso fragwürdiger, je kleiner dieses Vielfache festgesetzt wird. Entscheidungen enthalten also prinzipiell ein allerdings möglicherweise sehr verschieden großes Element von Willkür. Dies ist eine wesentliche neue Entdeckung moderner Wissenschaften, welche unweigerlich die Akzeptanz von Entscheidungen beeinflussen muss. Diese wird aber gewiss nur langsam ins Berwusstsein weiterer Schichten der Bevölkerung eindringen. Hieraus können große Konflikte resultieren, die sich zwar theoretisch durch bessere Bildung eingrenzen, jedoch nicht völlig ausschließen lassen.

Zugespitzt hat sich dieses Problem insbesondere bei Auseinandersetzungen zwischen den Bereichen von Natur und Kultur. Natur strebt nach Durchsetzung der eigenen Art, welche aber Veränderungen durch Mutation, Rekombination und Umwelt ausgesetzt ist. Kulturell wird das Streben nach Durchsetzung als Behauptung von Identität realisiert, welches aber durch Erfindungen, internationales Zusammenwirken und Klima relativiert wird. Diese Sichtweise zeigt sofort, dass der Realisierung von halb durchlässigen Grenzen eine große Bedeutung zukommt. Diese ist aber auch noch nicht sehr weit ins aallgemeine Bewusstsein von Bevölkerungen vorgedrungen. Sie lässt sich ebenfalls nur beschränkt durch bessere Bildung ausgleichen. Die notwendigerweise weiterhin bestehende Willkür dürfte aller Wahrscheinlichkeit nach eine der größten Quellen von Instabilitäten sein, welche aber ihrerseits auch eh und je ein wesentlicher Teil sowohl von Natur als auch von Kultur sind. Entstehen und Vergehen, wissenschaftlich Singularitäten genannt, sind ein fester Bestandteil von beiden. Wir können nur laufend versuchen, besser damit zu leben, sowohl in kleinen Schritten, solange kontinuierliche Verhältnisse bestehen, als auch in effektivem Management von singulären Ausnahmesituationen. also von Generationsübergängen und Katastrophen in Natur und Kultur.

® Copyright und alle Rechte Hans J. Unsoeld, Berlin 2019

Updated July 14, 2019  

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