top of page

Lernen und Konkurrenz

Emergenz in kleinen Schritten

Rationale Konzepte, vor allem logische Angaben über Zustände, jedoch weitgehend unabhängig von ihrer Art, haben durchaus Vorteile gegenüber Approximieren insbesondere durch ihre Genauigkeit. Doch nicht immer. 

Die Beschreibung eines Bildes mit Pixeln ermöglicht z.B. die exakte Wiedergabe jedes einzelnen Punktes, dessen Größe nur durch die Zahl der Pixel bestimmt ist. Doch wird eine sehr viel höhere Zahl von Pixeln bzw. Koeffizienten benötigt als bei einer fraktalen Beschreibung, welche sich aus der Verbesserung einer anfänglichen Annahme von Generation zu Generation ergibt, aber nicht in der Lage ist, einzelne Pixel exakt wiederzugeben.

Zustände können rational bestimmt werden. Philosophisch ausgedrückt bedeutet es die Untersuchung von Sein, was im Rahmen von Statik unter Verzicht auf Dynamik mit höchster Genauigkeit erfolgen kann. Die Hinzunahme von Dynamik führt zwangsläufig zu einem Verzicht auf höchste Genauigkeit, ermöglicht aber die Entwicklung von Prozessen zu erfassen, was das eigentliche Wesen von Dynamik, Modernität und Lernen ausmacht. Bestimmen und lernen sind also grundlegend verschiedene Kategorien, wie Geisteswissenschaftler sagen, oder verschiedene Dimensionen in naturwissenschaftlicher Ausdrucksweise.

Diesen Unterschied klar zu konzipieren ist von größter Wichtigkeit in allen Bereichen zwischen Theorie und Praxis. Pixel-Bilder stellen Zustände dar, und Dynamik kann nur als Illusion durch schnelle Abfolge solcher Bilder erzeugt werden, was die Basis des Fernsehens ausmacht. Fraktale Bilder können sich dagegen jederzeit weiter entwickeln, was Lernvorgängen entspricht. Jedes einzelne Bild lässt sich im Prinzip durch Veränderung oder zusätzliche Angabe eines einzigen Koeffizienten aus dem vorherigen Bild mit minimalem Zeitverlust herleiten. Diese Überlegung gilt aber nicht nur für Bilder, sondern für alle dynamischen Prozesse und ihre Beschreibung. Lernen ist also generell die Hinzunahme von einer „zusätzlichen Kleinigkeit“ in einem folgenden Schritt und müsste somit theoretisch umso effektiver sein, je schneller diese Schritte erfolgen. Das stimmt jedoch deshalb nur begrenzt, weil jeder Schritt auch einen Energieaufwand bedeutet und Energie nicht unbegrenzt zur Verfügung steht.

Das Leben geht aus Automaten bzw. unbeweglichen Einzellern hervor. Diese springen zunächst von einem Zustand in den jeweils nächsten unter Energieänderung über, was durch Quantenzahlen bzw. bei niedrigen Energien durch genetischen Code beschrieben wird. Diese Zustände lassen sich im Prinzip rational erfassen. Der Übergang von Statik zu Dynamik wird als entscheidender Schritt der biologischen Evolution in der Natur durch den Übergang von unbeweglichen Kristallen zu beweglichen Enzymen bewirkt, wodurch Lernvorgänge und effektive Entwicklung ermöglicht werden. Dies ist die Basis der Ausbildung von Extremitäten, im einfachsten Fall von Geißeln bei Bakterien.

Der Unterleib von höheren Lebewesen geht aus Einzellern hervor. Der erste folgende Schritt in der Evolution sind also die Extremitäten. Dann folgt die Ausbildung eines Kopfes und zuletzt die klare Unterscheidung eines Oberkörpers. Diese weiteren Entwicklungen der biologischen Evolution können als Folgen von Lernprozessen im Sinne des Darwinismus verstanden werden. Die Annahme eines statistischen Entstehens von neuen Zuständen nur etwa durch Mutationen könnte dabei nicht die tatsächliche Geschwindigkeit der Evolution erklären. Schnellere Lernprozesse durch Übergang von Generation zu Generation sind also entscheidend wichtig.

Der Trick eines als modern im Sinne von dynamisch zu verstehenden Lernens besteht nun in der Verringerung der Generationszeit, welche nicht mehr mit der Lebensdauer identisch ist, sondern nur noch von der Energiezufuhr abhängt. Jeder einzelne Lernschritt stellt also „einfach“ eine Verbesserung gegenüber der vorherigen „Generation“ beim Lernen dar, welche nicht mehr zwangsläufig mit Geburt und Tod zu tun hat und damit das Problem von destruktiven Singularitäten vermeidet. Lernen wird damit zu einem praktisch kontinuierlichen Vorgang, obwohl es schrittweise vor sich geht. Die einzelnen Schritte müssen nur möglichst schnell und mit möglichst geringem Energieverbrauch vor sich gehen, was die Basis aller Konkurrenz ist.

Jeder einzelne Schritt stellt eine zunächst infinitesimal kleine Emergenz dar. Je höher die Dichte der beteiligten Komponenten ist, desto mehr kommt dies tatsächlicher Emergenz nahe. Dies gilt generell, also gleichermaßen für Elementarteilchen, menschliche Kreativität und astronomische Super- oder Kilonovae.  

© Copyright und alle Rechte Hans J. Unsoeld, Berlin 2018

Updated May 08, 2018 

bottom of page